EiS_Ausgabe 222

ANDACHT ERNTEDANK FEIERN – GERADE IN ZEITEN VON CORONA

L iebe Leserinnen und Leser, wofür soll man noch„Danke“ sagen?Wenn ich„Danke“ sagen will, dannmussmeinDank vonHerzen kommen. Dankbarkeit kann ich mir nicht einreden und als verstaubte Tugend taugt sie auch nichts. Gerade zum Erntedankfest erinnern die vollge- packten Regale materieller Güter uns an viel zu viele Menschen auf der Erde, denen es am Nötigsten fehlt. Wir dagegen entsor- gen viel zu viele Güter völlig achtlos.„Gott sei Dank“ zu sagen, fällt schwer. Zudem erleben wir nach wie vor die Bedrohungen und Einschränkungen durch das Coronavirus. Das ist sehr belastend, für viele ganz persönlich und für das gesellschaftliche Leben all- gemein. Da bleibt einem das„Danke!“ schon mal im Halse stecken.

Superintendent Andreas Gronemeier

Im 58. Kapitel seines Buches konfrontiert der Prophet Jesaja die Menschen mit der Blindheit ihrer Herzen. Er fragt nach: Ihr dankt nicht mehr: Habt Ihr vergessen, was Gott uns tagtäglich schenkt? Zugleich erinnert er sie an ihre Verantwortung: Gebt anderen Menschen einen Anlass dafür, ganz leise Erntedank feiern zu können. Teilt mit ihnen, so dass sie wenigstens das Notwendigste haben. Jesajas Botschaft ist eindeutig: Da ist ein Schöpfer, der mir den Nächsten ans Herz legt. Anstatt meine eigenen Interes- sen zu verfolgen, wende ich mich denen zu, die meine Hilfe brauchen.

Im Teilen liegt mein Gewinn – im Teilen von Geld, Gütern, Zeit, Freundlichkeit, Liebe, Zu- wendung oder was immer ein anderer gerade braucht. Jesaja will seine Leserinnen und Leser nicht zu einem „Dankopfer“ überreden. Auch liegt es ihm fern, mit drohen- dem Zeigefinger zu einem „Du musst (Gott) dankbar sein“ oder „Du musst teilen!“ auf- zufordern. Der Satz „Du sollst danken“ ist nicht das elfte Ge-

Foto: epd bild/Anke Bingel

bot, keine verpflichtende Floskel. Echter Dank wächst spontan aus einem bewegten Herzen. Echter Dank entfaltet sich in einem Menschen, in dem Moment, in dem er er- kennt, dass das Leben, das Gott schenkt, nicht selbstverständlich ist.

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